Eine der größten Lasten, die wir mit uns herumschleppen, sind Erwartungen. An uns selbst, an andere, an das Leben. Wie das Wort schon sagt, wartet man ständig auf etwas, was gefühlt nicht da ist, aber da sein sollte. Da ist ein Mangel, ein Bedarf, der gestillt werden möchte. Meine Erfahrung ist: Diese Haltung des Er-wartens macht oft Druck, erzeugt Abhängigkeit, bindet viel Energie und verschließt die Türen der Möglichkeiten. Sie verhindert nachhaltig, dass das Gewünschte eintreten kann. Warum ist das so und warum halten wir oft an Erwartungen fest, obwohl wir es besser wissen?
Das Wesen der Erwartung
Damit kenne ich mich gut aus. Es begann damit, dass in meiner Familie immer sehr hohe Erwartungen an „einen ordentlichen Menschen“ gestellt wurden. Es ging vor allem um Kompetenz, Leistung und Excellenz in fast allem. So formt man Perfektionisten. Gut ist nicht gut genug. Und so lebte ich lange Zeit mit diesem unbewussten Druck und Stress, den so ein elterlicher Antreiber macht, der dann später der innere Antreiber wurde. Höchste Ansprüche waren für mich Normalität: körperlich, beruflich, geistig. Das war anstrengend, aber eben auch normal.
Dieses Anspruchsdenken habe ich dann später natürlich auch auf mein Umfeld übertragen. Speziell meine Partner wurden von mir oft kritisiert und auch sie sollten sich möglichst optimieren, immer ihr Bestes geben. Wie oft habe ich mich geärgert, diskutiert, kritisiert und gekämpft, um auch diese Menschen voranzutreiben. So wie mich selbst. Mir ist lange nicht bewusst gewesen, welche hohen Erwartungen ich an mich und mein Umfeld hatte.
Erwartungsterror
Der Effekt war immer derselbe: Es gab viel Stress, Abwehr und schließlich Distanzierung, da ja jeder angenommen werden möchte, wie er ist. Niemand möchte genötigt und ständig gefordert werden. Und genau das tun Erwartungen jeder Art: sie fordern ein und machen Druck. Erwartungen sind das Gegenteil von Akzeptanz oder gar Liebe.
Ich konnte das erst erkennen, als ich selbst durch diverse Lebensereignisse so heruntergerockt war, dass ich jede Erwartung an mich aufgeben musste. Vor lauter Anstrengungen und Lebenskampf hatte ich meine Kraft verloren. Ich sehnte mich nur noch nach Frieden und dem einfach So-Sein. Ohne den ständigen Erwartungsterror. Erwartungen, ob mir selbst oder anderen gegenüber, sagen: ich warte auf etwas, mach hinne, das brauche ich jetzt, gib es mir. Sonst geht es mir nicht gut. Mit Erwartungen wird es auch in den Beziehungen unfreiwillig und druckvoll. So gibt keiner gern etwas von sich.
Erwartungen binden zudem unsere Kräfte durch die Fixierung auf das Ersehnte – solange wir in Warteposition sind, können wir nicht frei und unbeschwert (miteinander) leben.
Wie geht es anders?
Heute weiß ich: ein liebevoller, mitfühlender Umgang mit mir und anderen schließt Erwartungen aus. Ich frage mich öfters, wenn ein Anspruch oder eine Erwartung in mir auftauchen: brauche ich das wirklich und wenn ja, wie kann ich auf gute Weise selbst dafür sorgen? Anstatt mich oder andere mit unangemessenen Vorstellungen und Erwartungen in „Geiselhaft“ zu nehmen. Was für ein wunderbares, befreiendes Geschenk ist es, sich und andere so sein und sich frei entfalten lassen zu können. Paradoxerweise entsteht gerade dann das Erwünschte viel eher als unter Erwartungsdruck.
Es gibt auch keine Schuldigkeit, wenn wir freiwillig etwas geben oder leisten dürfen, ohne den (ursprünglich elterlichen) Anspruch, dass es so oder so sein müsse.
Sich etwas zu wünschen oder um etwas zu bitten, ist hingegen energetisch eine offene Tür. Es lässt den Raum für das, was gerade geht. Ob es uns nun gefällt oder nicht. Die Akzeptanz und Wertschätzung dessen, was gerade ist, erzeugt eine positive Dynamik. Die Energie des „es ist gut genug, es reicht, du reichst“ macht soviel mehr Erfüllung und positiven Flow möglich. Freiwillig, unabhängig und in Würde.
Die folgende Meditation übe ich, wahlweise als Lehrerin oder Meditierende, um diese würdevolle Energie im Bedarfsfall zu erschaffen:
Dankbarkeitsmeditation
Einleitung:
Nimm dir einen Moment Zeit, um zur Ruhe zu kommen. Setze dich bequem hin und schließe sanft die Augen.
Schritte:
1. Atmung:
Atme tief ein und aus. Lass mit jedem Atemzug deinen Körper entspannen.
2. Fokus auf das Hier und Jetzt:
Richte deine Aufmerksamkeit auf alles, was gerade in deinem Leben ist. Denke an die kleinen und großen Dinge, die dir Freude bereiten.
3. Dankbarkeit für das Gelungene:
Überlege, was in letzter Zeit gut gelaufen ist. Fühle die Dankbarkeit für diese positiven Erfahrungen.
4. Dank an Mitreisende und Unterstützer:
Denke an die Menschen, die dich auf deinem Weg unterstützen. Schicke ihnen in Gedanken deinen Dank.
5. Dank an die Kräfte des Lebens:
Nimm einen Moment, um den Kräften des Lebens zu danken, die dir helfen, zu wachsen und zu gedeihen.
Abschluss:
Atme noch einmal tief ein und aus. Öffne langsam deine Augen und nimm das Gefühl der Dankbarkeit mit in deinen Tag.
Also, er-wartest du noch oder lebst du (in diesem Sinne) schon? Namaste´!
Bildquelle: https://pixabay.com/de/photos/frau-bank-meer-baum-person-denken-4347235/, Stand: 22.11.2024