Love is our home – die Liebe ist unser Zuhause

Autor: Peter Michael Dieckmann

Vor einigen Wochen war ich in Bonn, um einen Vortrag zu halten. Ich war ein paar Stunden vorher vor Ort, schlenderte durch die Stadt und ließ mich von dem, was ich sah und hörte, inspirieren. In der Fußgängerzone der Bonner Innenstadt fiel mir ein Plakat vor einem Geschäft auf. Darauf stand: „Bier hilft gegen akute Realität.“ Wie wahr, dachte ich … ”

Es war ein schöner Sommertag, mitten in der Woche. Während ich umherlief, sah ich eine Bettlerin, die vor einem Geschäft auf dem Boden saß. Sie hatte eine kleine Schale vor sich stehen, in der sie Geld sammelte. Doch im Gegensatz zu dem, was man erwartet, sah sie nicht aus wie eine Obdachlose. Sie war gut gekleidet, eine Frau, schätzungsweise Ende 30 oder Anfang 40. Sie hielt ein Schild in der Hand. Als ich an ihr vorbeiging, warf ich einen Blick darauf und las: „Love is our home – Die Liebe ist unser Zuhause.“ Nur dieser eine Satz, auf Englisch und Deutsch.

Gegenüber war eine Eisdiele mit Tischen im Außenbereich. Ich setzte mich dorthin und beobachtete die Bettlerin und die Menschen, die achtlos an ihr vorbeigingen. Nur wenige blieben stehen, um das Schild zu lesen, und noch weniger gaben ihr Geld. Wenn jedoch jemand etwas in ihre Schale legte, schenkte sie der Person ein strahlendes Lächeln, legte ihre Hand auf ihr Herz, und ihre Augen leuchteten. Obwohl ich einige Meter entfernt saß, konnte ich dieses Leuchten sehen. Ich wusste, dass ich gleich vor meinem Vortrag auch etwas in ihre Schale geben würde – allein schon, um dieses Lächeln geschenkt zu bekommen.

Dieser Satz, „Die Liebe ist unser Zuhause“, ist wahr. Wir alle sind Geistwesen, erfüllt von der Energie der Liebe. Diese geistige Energie ist Liebe. Wir sind Liebe! In der Dimension des Geistigen, im Religiösen auch „Himmel“ genannt, sind wir alle eins, miteinander verbunden, reine Energie – eine Mischung aus Gefühl und Information. Hier auf der Erde, in unseren Körpern, erleben wir jedoch scheinbar die Trennung: die Trennung zwischen Ich und Du, zwischen Wir und den Anderen. Diese Dimension hier auf der Erde ist eine Dimension des Kampfes.

Die Meditationslehrerin Antje Heinrich fragte in einem meiner Seminare, bei dem sie als Coach tätig war: „Wofür bist du bereit zu kämpfen? Gibt es einen Menschen in deinem Leben, für den du kämpfen würdest? Und gibt es jemanden, der das für dich tun würde, der für dich kämpfen würde?“

Ich bemerke regelmäßig, dass viele Menschen ein Problem mit dem Wort „Kampf“ haben. Der Begriff schreckt viele ab, weil sie ihn mit einem Kampf gegen etwas verbinden.

Ich selbst hatte nie ein Problem mit diesem Begriff. Für mich war „Kampf“ immer ein Kampf für etwas: für meine Würde, für das Leben, für die Arbeit und so weiter. Nicht zuletzt habe ich als Polizeibeamter mit 40 Dienstjahren lange für etwas gekämpft – für Menschen, die Opfer von Verbrechen geworden sind, beispielsweise. Und auch heute muss ich manchmal kämpfen. Wir alle erleben hier in dieser Dimension von Zeit und Raum, in der scheinbaren Trennung, Ignoranz, Ablehnung und vieles mehr. Die ganze Welt ist derzeit in Aufruhr, in kriegerischen Zuständen – sowohl in Russland und der Ukraine als auch im Nahen Osten. Und auch dort kämpfen Menschen. Diese Kämpfe sind nie angenehm, sie verursachen viel Leid auf allen Seiten.

Einer der ersten Sätze, die ich von meinen spirituellen Lehrern gehört habe, lautete: „Jede Situation in deinem Leben ist eine von deiner Seele erschaffene Lernerfahrung, um dir zu zeigen, wie du mehr Kraft und mehr Liebe entwickeln kannst.“ Das ist der Lehrplan, den wir mit unserer Geburt gebucht haben. Wir lernen, und das oft auf nicht leichte Weise. Wir lernen durch schwierige Erfahrungen. Alle Religionen lehren, dass das Leiden hier auf der Erde uns zur Glückseligkeit in der Ewigkeit führt. Das gilt im Buddhismus genauso wie im Christentum. Einer der meist missverstandenen Sätze von Jesus lautet: „Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Der Vater wird sich mit dem Sohn, der Sohn mit dem Vater und der Bruder mit dem Bruder zerstreiten.“

Viele Theologen haben Schwierigkeiten mit diesem Satz, weil er aus dem Mund eines Menschen kommt, der Liebe, Nächstenliebe und Vergebung gepredigt hat. Ich persönlich habe diesen Satz immer verstanden. Für mich bedeutet er: Wenn du deinen eigenen Weg gehst, für dich selbst einstehst, für deine Würde eintrittst, dann musst du manchmal kämpfen. Du darfst nicht resignieren, du darfst nicht aufgeben. Mach weiter, stehe für dich selbst und für deine Sache ein. Das ist der Preis für ein würdevolles Leben in dieser Dimension von Zeit und Raum.

Und dennoch sind wir alle verbunden – mit unserem Zuhause. Und dieses Zuhause ist die Liebe.

Bildquelle: Screenshot aus dem Musikvideo ‘Love is our home’ von Ivy Robins/https://www.youtube.com/watch?v=7IdRgFR5bgk

Peter Michael Dieckmann

Peter Michael Dieckmann

www.dalmanuta-prinzip.de

Keine Beiträge mehr verpassen