von Bianca von Berg
Krone auf halbmast
Immer wieder stoße ich auf den Spruch „Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitergehen“.
Er begegnet mir auf Facebook, Instagram, in Läden als Bild mit Rahmen, als Postkarte.
Und so sehr ich ihn auch verstehe in dem, was er uns sagen will – das Leben geht weiter nach einer Krise – so sehr finde ich ihn auch einfach falsch.
Denn er vermittelt uns etwas, das wir viel zu oft vermittelt bekommen: „Reiß Dich mal zusammen.“ Aber Zusammenreißen geht nicht immer, muss auch nicht gehen und manchmal macht es nur alles schlimmer.
Es gibt Phasen im Leben, die sind schlimm und schmerzhaft. Man geht durch eine Krise, eine dunkle Zeit. Vielleicht, weil man einen geliebten Menschen verloren hat – in der Familie, im Freundeskreis, weil man eine Trennung hinter sich hat, die Arbeit verloren hat oder aus irgendeinem anderen Grund. Krisen gehören zum Leben. Doch auch wenn wohl kaum einer in seinem Leben davor geschützt werden kann, ist es nicht okay, ihm abzuverlangen, dass er sich schnell wieder aufrappeln müsse, da das Leben nun mal so sei.
Krisenzeiten bedeuten auch: Einkehr halten
Krisenzeiten sind auch Zeiten der Einkehr, in denen man wieder zu sich finden muss, in denen man sein Leben überdenkt, sich neu findet, sich neu positioniert. Wer einen Verlust erlebt hat, muss lernen, sein Leben ohne diesen einen Menschen weiter leben zu können. Der Alltag ändert sich und man braucht Zeit, sich darauf einzustellen. Trauer, Unglück, Schwermut sind nicht einfach abzuschütteln und es hat einen Sinn, dass wir nach Abschieden verschiedene Phasen durchmachen, die einen Menschen wieder zurückbringen in das alltägliche Leben – aber nach seinem eigenen Tempo.
Warum gestehen wir heute anderen Menschen nicht diese Ruhepause zu? Warum muss immer alles schnell weitergehen? Schnell zurück ins alte Leben, schnell nicht mehr trauern, schnell wieder funktionieren. Und wo bleibt in diesem Spruch eigentlich die Zuwendung, die Hinwendung zum anderen. Denn wenn wir durch eine schwere Zeit gehen, dann tut es gut, Menschen an der Seite zu haben.
Zeit, um neue Wege zu gehen
Ich wünsche mir, dass wir den Menschen um uns mehr Zeit geben würden, um ihre Wege zu gehen. Dass wir Sätze wie „Deine Mutter war ja auch schon sehr alt und krank. Du musst dich damit abfinden und nach vorne blicken“ oder „Da hilft kein Weinen, reiß dich zusammen, sonst findest du nie einen neuen Job“ nicht mehr sagen. Dass wir nicht erwarten, dass jeder nach einem Fall sofort wieder aufspringen muss, um sein Ansehen wieder herzustellen und weiterzugehen. Ich wünsche mir, dass es Menschen gibt, die einen Fall wahrnehmen, die beim Aufstehen helfen und nicht erwarten, dass man eine Krone trägt, sondern den Kopf in ihre Hände nehmen und sagen: „Ich bin hier, ich helfe dir.“
Ich gehörte selbst zu der Sorte Menschen, die sich die Knie abklopft und weitergeht, wenn sie gefallen ist. Ich gehörte selbst zu der Sorte Menschen, die auf die Frage, wie es ihr geht, immer mit einem festen: „Danke, gut!“ antwortet. Im ersten Quartal dieses Jahres hat er mich jedoch ziemlich oft herausgefordert; dieser Anspruch an mich selbst: Krone richten … weiter gehen. In ein paar Bereichen meines Lebens hat es eingeschlagen. Bis zu dem Tag, an dem ich die Krone auf halbmast hängen ließ.
Ein mir sehr nahe stehender Mensch lag final im Sterben. Ich durfte nicht mehr zu ihr. Mitten im Supermarkt stand ich und fragte mich: „Was nehm ich ihr denn mit ins Krankenhaus?”. Die Antwort kam mir prompt: „Nichts … sie stirbt.“ Und so stand ich mitten im Supermarkt und weinte, frei und ohne Anspruch an mich, es zurückzuhalten.
Die Krone rutschte mir vom Kopf. Das „Reiß Dich mal zusammen“ war weggewischt. Ich ließ geschehen. Und so dachte ich auch an Ostern an diese Situation und überlegte, was es damit auf sich hat.
Auferstehung
Auferstehung kann wie folgt definiert werden: „Die christliche Vorstellung von Auferstehung ist, dass Körper und Geist, Leib und Seele in irgendeiner Form nach dem Tod miteinander verbunden bleiben. Diese Untrennbarkeit ist in der Schöpfung begründet …“
So mach dir nochmal bewusst: Du darfst alles sein, was du bist und was du fühlst.
Und du darfst dir deine Zeit nehmen, Leib, Geist und Seele wieder zueinander zu bringen.
Du darfst dir in deinem Tempo den Dreck von den Schultern klopfen und wieder AUFERSTEHEN.
Bildnachweis für diesen Beitrag: Schach, König, Krone © Parveender (pixabay CC-0)