Woran glaubst Du?

Autor: Ines Reich
Glaube

In den letzten Wochen und Monaten wurde ich häufig gefragt, ob ich gläubig bin.
Wahrscheinlich, weil ich in Jerusalem, am See Genezareth und dort an vielen Orten war, die Jesus auch besucht hatte. Ich finde interessant, was diese Frage für mich heute, im Gegensatz zu „vor der Reise“, bedeutet. Die Antwort ist zwar dieselbe, aber es fühlt sich jetzt anders an. Es fühlt sich jetzt richtiger an.

 

Die Suche nach der Wahrheit

Immer war ich auf der Suche nach einer Antwort. Ich war auf der Suche nach DER Wahrheit. Wollte wissen, warum ich, warum die Menschheit, die Erde, existiert. Es musste doch mehr geben!
Was ich immer spürte, war ein ganz tiefes Vertrauen. Zuerst war es dieses Vertrauen, das ich als Kind hatte, wenn ich in den Armen meiner Mutter lag und wusste, hier konnte mir nichts passieren. Dann war da diese Sache im Krankenhaus, als ich im Koma lag, mit kurzen Wachmomenten, ich wusste, selbst wenn ich nicht mehr aufwachte, ich werde getragen. Damals war ich erst sechs Jahre alt.

Dieses Gefühl von Getragen-Sein, das habe ich also schon ganz lange in mir.

 

Welche Bedeutung ich der Kirche gegeben habe

Als Kind war ich immer nur dann in der Kirche, wenn es einen „Anlass“ gab, wir waren keine Kirchgänger. Doch irgendetwas in diesen großen Gebäuden gab mir das Gefühl, am richtigen Ort zu sein. Es war zwar auch etwas beängstigend, aber ich hoffte, hier würde ich Antworten finden. Ich meldete mich also zum Konfirmationsunterricht an.
Es war eine komplizierte Zeit: das erste Verliebtsein. Das erste Mal Alkohol und Zigaretten. Ein Freund aus der Clique nahm sich das Leben …
Antworten bekam ich nicht, aber die Gemeinschaft der Mit-Konfirmanden und der Pastor, der immer für Gespräche zur Verfügung stand, gaben Halt.

 

Doch dann ist da dieses Gefühl

Zum Kirchgänger bin ich nicht geworden, trotzdem war die Kirche immer eine Zwischenstation, ein Neuanfang (Hochzeiten, Konfirmationen und Schulbeginn der Kinder) und ein Ende (Schulentlassung, Beerdigungen). Ich hatte die Gelegenheit, innezuhalten, nachzufühlen: Was ist gewesen – was kommt … wenn ich dort saß, auf der Kirchenbank, hatte ich immer das Gefühl, angekommen zu sein, in meiner Mitte zu sein. Es waren nicht unbedingt die Worte von der Kanzel, manchmal schon, aber meistens nicht. Ich wartete immer noch auf Antworten. Trotzdem sagte ich von mir, ich sei ein gläubiger Mensch.

Warum bin ich nicht weggelaufen, auch wenn ich mich nicht wohl an meinem Platz fühlte? Warum habe ich ausgehalten, auch wenn mir alles zu schwer wurde? Und konnte noch immer Liebe geben, auch wenn ich meinte, keine zurückzubekommen?
Ich hatte immer Vertrauen – alles wird gut, ich musste nur sein!

 

Bin ich ein gläubiger Mensch?

Auch wenn die Frage „bist du ein gläubiger Mensch“, sich auf die Konfession bezieht und ich nicht wirklich sagen kann, ob ich an die Religion glaube, mit der ich aufgewachsen bin, so kann ich doch aus tiefer Überzeugung sagen: Ja, ich bin gläubig. Ich glaube an den Heiligen Geist in und um uns herum, der spürbar ist beim Austausch mit der Familie und Freunden, beim guten Essen und in der Stille, zum Beispiel in der Meditation. Es ist die BeGEISTerung wunderbarer Erlebnisse.
Ich könnte auch das Göttliche benennen, das wir in uns tragen. Dass wir spüren, wenn wir innehalten und uns besinnen, wenn wir die Augen schließen und einfach nur den eigenen Atem beobachten. Das ist doch schon ein Wunder: Einatmen – Ausatmen!

 

So nah dran – an den Orten die auch Jesus besuchte

Ich wollte in Israel Antworten bekommen. Die habe ich wieder nicht bekommen, wie damals bleibe ich suchend. Aber ich habe meinen Zweifel weitestgehend verloren. Den Zweifel zu glauben. Ich glaube nicht mehr an Jesus, ich weiß jetzt, dass es ihn gab. Es gab einen Menschen wie dich und mich, der auch Zweifel hatte und trotzdem seinen Weg der Liebe gegangen ist. Der versucht hat, den Menschen zu zeigen, dass es sich lohnt, an sich zu glauben. Und Vertrauen zu haben, in die eigene Verantwortung zu kommen, um den eigenen Weg zu gehen: den Weg der Liebe und der Achtung vor allen Lebewesen, der Natur und vor sich selbst … Ich habe diese Energie gespürt. Ich kann sie nicht messen und nicht wissenschaftlich erklären. Und doch ist es da, mein unermessliches Gefühl des Vertrauens.
Ich glaube an Gott, den Himmel.
Und wo fängt der Himmel an?
Du atmest ihn ein und wieder aus …
ist das nicht Antwort und Glaube genug?

Bildnachweis: Copyright Ines Reich. Israel, Dalmanuta am See Genezareth, 2022.

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