Vor anderthalb Jahren begann ich die Ausbildung zum Meditation-Coach bei Peter in Duisburg. Ein turbulentes Jahr voller Tiefen, Höhen und Chaos! Ein Jahr mit der Pandemie. Ein Jahr mit viel Selbstreflexion. Mit vielen Zug-Kilometern und Urlaubstagen-hin-und-her-schieben.
Wie oft dachte ich, ich müsste aufgeben. Und immer wieder dieses Gefühl nicht wirklich dazuzugehören! Mein erster Mediabend bei Peter war auch der Abend vor dem ersten „Lehrer-Treffen“. Einige kannten sich schon. Ich fand meinen Platz noch nicht. Ich glaube sechsmal haben wir angehende Lehrer uns getroffen und wir bauten langsam eine Verbindung zueinander auf.
Dann, Anfang 2021, war Schluss: Es durfte keine Fortbildung in Präsenz stattfinden. Zwei-, dreimal „trafen“ wir uns im Zoom-Raum, aber das war nicht dasselbe. Wieder schwand das Gefühl einen Platz unter Gleichdenkenden gefunden zu haben. Ich fühlte mich getrennt von der Gruppe. Während alle anderen in Kontakt miteinander waren, so vermutete ich, war ich im hohen Norden abgehängt.
Aus der Opferrolle heraustreten
So war es auch vor einigen Jahren, als ich bei der Arbeit den Boden unter den Füßen zu verlieren schien. Ich dachte, keinen Platz mehr in der Praxis zu finden. Obwohl ich einen tollen verantwortungsbewussten Arbeitsplatz hatte, bemerkte ich, dass ich aus dem Team nicht mehr von allen Seiten genügend Unterstützung bekam. Besonders eine Kollegin wetterte gegen mich und anstatt ihr entgegenzutreten, wollte ich verstanden werden. Das funktionierte gar nicht und letztendlich verstand ich mich selbst nicht mehr. Ich fühlte mich immer mehr aus der Bahn geworfen, wurde unsicher und wollte sogar kündigen.
Von außen betrachtete, sah ich mich als Mobbing-Opfer, aber dazu hatte ich schon einiges gelesen und dachte: „Halt, Stopp!“ Wenn du dich als Mobbing-Opfer fühlst und die Problematik erkennst, dann kannst du da auch selbst wieder raus! Ich entschied mich für den Platz in der Praxis und überlegte, wie ich wieder auf Augenhöhe mit meinen Kolleginnen kommen konnte.
Ich begann eine einjährige Fortbildung für eine Zusatzqualifikation, die mir auch einen größeren Aufgabenbereich bieten würde. Auch das war ein anstrengendes Jahr, mit Beruf und Familie nebenbei. Aber das hat mich stark gemacht! Ich habe viele tolle Menschen kennengelernt und dadurch und durch meine neuen beruflichen Kenntnisse auch wieder Selbstbewusstsein bekommen. So fand ich die Worte vor meinen Kolleginnen wieder und ich hatte meinen Platz in der Praxis auch wieder gefunden. Und kam mit den meisten wieder gut klar. Nicht mit allen, aber das war auch nicht mehr so wichtig!
Gefühle offen ansprechen
In der Lehrergruppe beschloss ich, bei einem Zoom-Meeting meine Gefühle anzusprechen. Ich wollte nichts herunterschlucken und mich dann selbst wieder ausgrenzen. Und siehe da: Den anderen ging es ähnlich wie mir! So beschlossen wir, uns wiederzusehen. Wir trafen uns bei Bärbel im Garten und jeder brachte etwas zu essen mit. Es wurde ein wunderbares Wiedersehen und es hat uns noch mehr verbunden, bis über den Abschluss hinaus! Jede hat ihren festen Platz und wird gehört und gesehen. Und inzwischen kommen auch andere Menschen zu uns und unseren Medi-Treffen und finden einen Platz für ihre Gefühle.
Genügend Zeit für den richtigen Platz
Auch innerhalb der Familie muss ich immer wieder meinen Platz suchen. Vor ein paar Monaten bin ich Oma von einem herzallerliebsten Enkel geworden! Die Zukunft zeigte sich mir in den buntesten Farben. Ich würde regelmäßig auf das Baby aufpassen, hier und da kommt die ganze Familie zu Besuch und ich verwöhne alle … So dachte ich. Aber dem war nicht so! Schließlich gibt es noch die Familie der jungen Mutter und die kleine Baby-Familie hatte genug mit sich selbst zu tun. Na ja und ich selbst habe auch nicht so viel Zeit. Einmal im Monat gebe ich ein Medi-Treffen, dann die Arbeit in der Praxis …
Zuerst war ich traurig, aber dann merkte ich, dass es nicht darum geht nur den einen Platz zu besetzen, sondern flexibel zu sein, um sich immer wieder auf einen passenden Stuhl setzen zu können – je nachdem was und wer gerade dran ist. Ich muss nicht immer warten, dass mir ein Stuhl angeboten wird, ich kann mich selbst entscheiden, wann und auf welchem Platz ich wie lange sitzen will!
Morgen zum Beispiel aktiviere ich meinen Platz, den ich zwischen meinen Freundinnen habe. Viel zu lange habe ich mir die Zeit nicht genommen! Jetzt habe ich eine Freundin zu mir zum Essen eingeladen und wir werden ganz viel reden über die Zeit, die wir uns um unsere anderen Plätze gekümmert haben …
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