Das Auge
Ich erinnere mich an eine Reise nach Yukatán in Mexiko vor einigen Jahren. Der deutsche Reiseleiter, Markus, lebte dort. Er kannte Land und Leute und wusste zu berichten, dass Mexiko häufig von Hurrikans getroffen werde. Mit einem Freund beschloss er eines Tages diesem Schauspiel beizuwohnen, um den Wirbelsturm hautnah zu erleben.
Als die nächste Hurrikanwarnung kam, bereiteten sie sich in einer abgelegenen Garage auf den Sturm vor. Sie verbarrikadierten Türen und Fenster, organisierten ein Notstromaggregat und montierten einen ausrangierten Autoscheinwerfer als Lichtquelle. Radio und ein Sixpack Bier sollten während des Sturmes für gute Stimmung sorgen.
Dann warteten sie auf das Eintreffen des Sturmes. Doch es geschah – nichts. Die Freunde harrten Stunden aus, bis sie sich aus ihrem Verschlag wagten, in der Annahme, dass der Sturm ausgeblieben war.
Sie trauten ihren Augen nicht, als sie draußen zerstörte Felder und Hütten vorfanden. Der Sturm musste mit großer Wucht über sie hinweggefegt sein, doch sie hatten nichts bemerkt.
Was war geschehen?
Sie befanden sich im Auge des Hurrikans, dem fast windstillen Zentrum. Alle Kräfte des Sturmes rotierten um dieses Zentrum. Alle zerstörerischen Energien hatten sich außerhalb dieser Mitte bewegt, deshalb blieben sie vom Sturm verschont.
Das Patt
Das Bild vom Auge des Hurrikans hat mich nie losgelassen. Es ist für mich die Metapher meiner inneren Mitte. Der Ort, an dem es in mir ruhig ist. Die Energien, die mich an manchen Tagen mitreißen, rotieren um dieses Zentrum. Alle Extremsituationen und Polarisierungen beeinflussen mich dort nicht. Es besteht ein Patt – eine ausgeglichene Gelassenheit zwischen mir und den Ereignissen in meinem Leben: Wut und Sanftmut, Kälte und Hitze, Hunger und Sattheit, Trauer und Freude sind an diesem Ort ausgewogen.
Es tobt kein Kampf in mir, für oder gegen etwas zu sein. Alles darf sein, wie es ist. Nichts ist mir zu viel oder zu wenig, ich bin weder ängstlich noch mutig, weder wütend noch freundlich, parteiisch noch parteilos. Ich lasse die Ereignisse des Tages los und verschwende keine Energie in Verstrickungen und alten Geschichten. Keine Kraft kann mich in eine beliebige Richtung zerren.
Und in mir spüre ich Frieden, Hingabe und Harmonie. Meine Lebensenergie fließt ruhig. Alles geschieht, weil es geschieht!
Das ist mein inneres Patt – ein Gefühl von Freiheit, einfach nur ich selbst zu sein.
Der Zugang
Dieses innere Patt kannst du fühlen!
Bei mir stellt es sich ohne Anstrengung ein. Wenn ich zum Beispiel Musik höre, spüre ich, dass meine Lebensenergie in mein Herzzentrum fließt. Dann bin ich ganz bei mir. Eine kleine Meditation, die mir Momente schenkt, innezuhalten oder ein Hobby, das ich hingebungsvoll ausübe, lässt mich dieses kraftvolle Gleichgewicht fühlen. Ich brauche nicht mehr in diesem Moment.
Und wenn du magst, suchst du dir jetzt einen Ort, an dem du ungestört bist.
Schließe die Augen.
Mach dich jetzt auf den Weg zu deiner inneren Mitte. Richte deine Energie auf das Weitergehen aus und lass dich von nichts abhalten. Irgendwann findest du deinen Platz zum Verweilen. Alles Laute und Rastlose verklingt, alles Belastende ist fort. Du bist einfach da, du bist in deinem Leben.
Kannst du es fühlen? Die Liebe, den Frieden in diesem Moment?
Musikvorschlag:
Elton John – Can you feel the love tonight, Link zum Musikvideo
Deutsche Übersetzung des Songtextes
Autorin: Andrea Siegert
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