Vergebung, ein Weg durch den Irrgarten

Autor: Bianca Von berg

Du spürst Last auf Deinen Schultern, Schwere im Herzen und Unfrieden in den Nervenbahnen.
Der Weg raus aus diesem Zustand scheint für Dich nicht gangbar zu sein.

Du irrst umher.
Ich muss diesem Menschen noch vergeben.
Ich muss mich bei dem Menschen eigentlich noch entschuldigen. Och…, und eigentlich auch nicht. Soll der andere doch den Anfang machen! War ja auch nicht nett zu mir.

Und so irrst Du durchs Labyrinth der Vergebung.

 

Meine Geschichte

Ich möchte Dir eine kurze Geschichte erzählen.
2017 war meine Mutter plötzlich sehr krank. Ich erfuhr dieses von meiner Schwester an einem Abend im April gegen 21:00 Uhr. Ich war gerade auf dem Weg von der Arbeit nach Hause und hatte eine Nachricht auf dem Handy: Mama ist im Krankenhaus, sie hat Krebs. „Mama“ meint die Person, die ich seit 20 Jahren nicht gesehen hatte. In meiner Kindheit war alles vorhanden. Was fehlte, war die Liebe. Und so fuhr ich noch in die Klinik, trat an ihr Krankenbett und sagte zu ihr: „Glaube nicht, dass ich wiederkomme. Ich wollte nur wissen, ob das die Wahrheit ist“, und ging.

Ich erwischte mich jedoch dabei, dass ich wieder hinging. Als sie ins Hospiz verlegt wurde, habe ich sie knapp drei Monate begleitet. 4-5-mal die Woche war ich bei ihr. Zunächst sprach ich sie mit Vornamen an. Das tat ich schon als Jugendliche. Später kam mir der Gedanke: “Tu ihr in dieser Verfassung nicht weh” und ich sagte: “Mutter”. Als sie ihren letzten Atemzug tat, sagte ich: “Mama”.
In dieser Zeit haben wir sehr viel gesprochen und sie erklärte mir, warum sie so war, wie sie war. Ich glaube nicht, dass sie noch begreifen konnte, wie wertvoll diese Gespräche waren und was sie dort erklärte oder erzählte. In mir scheint es einiges ausgelöst zu haben. Ich verabschiedete meine Mutter, in dem ich sagte: „Du darfst in Frieden gehen. Ich vergebe Dir alles.“

 

Vergebung ist ein Prozess

Sieben Monate später saß ich in einem Seminar, Reiki II Vergebung.
Ich glaubte wirklich, dass ich hier alles vergebe. Ich spürte wirklich inneren Frieden. In diesem Seminar hatte ich zunächst wahrgenommen, dass das ein Irrtum ist. Während des Seminars war das Gefühl des Friedens plötzlich erloschen und ich war böse mit mir, meine Mutter am Sterbebett belogen zu haben und obendrein mich selbst

Im Anschluss des Seminars begriff ich allmählich, dass es in diesem Fall um mehr geht als den Frieden mit einem Mitmenschen. Es geht um Güte, Gnade und Wohlwollen mir selbst gegenüber.
Und so irrte ich weiter durch dieses Labyrinth meiner Vergebung. Doch das Thema war angestoßen. Innerlich schien es an mir zu arbeiten.

Ein Jahr später saß ich erneut in diesem Seminar und mir wurde klar, dass ich es damals an ihrem Bett sicherlich so gemeint hatte, aber Vergebung nicht richtig verstanden habe.

Am 2. Juni 2022 wurde die kleine Tochter meines Neffen geboren. Meine Mutter sagte in den letzten Gesprächen: „Wie gerne hätte ich noch erlebt, dass Christian Vater wird und ich Uroma.“
Ich besuchte die kleine Familie. Tief bewegt nahm ich dieses kleine Geschöpf auf den Arm. Nach dieser ersten Begegnung mit meiner Großnichte fuhr ich zum Friedhof.
Ich saß bei meiner Mutter am Grab und erzählte ihr von ihrer Urenkelin. Ich hatte die Fahrt dorthin nicht aktiv oder bewusst gesteuert, sondern bin dort einfach gelandet. Es gab den Moment, da stellte ich mir die Frage: „Was mache ich hier eigentlich?“ Zugleich beantwortete ich mir die Frage selbst: “Ich erzähle meine Mutter von ihrer Urenkelin.”

Ich könnte noch weitere 40 Jahre im Hader und Groll leben. Ich könnte weiter Schuld und Ungnade verteilen. An mich selbst oder an die Mitmenschen, mit denen es nicht einfach war.
Ich höre häufig die Aussage: Wenn ich ihr/ihm vergebe, dann hat sie/er doch gewonnen
Nein, wenn Vergebung nicht geschieht, bringst Du Dich um Dein Leben. Um Freude, Liebe und Frieden.

Vergebung ist ein Prozess.
Niemand durchläuft auf Anhieb fehlerfrei ein Labyrinth.
Und am Ziel des Labyrinths stehst Du!
In der Vergebung geht es nicht darum, Frieden mit anderen zu schließen.
Es geht um Dich.
Um Deine Güte Dir selbst gegenüber.
Vergib Dir eine Fehlentscheidung, einen Fehltritt.
Vielleicht vergibst Du Dir, dass Du nicht vergeben kannst.

Hauptsache, Du erteilst Dir die Erlaubnis, in Vergebung und Frieden zu leben. Nach und nach, wie ein stiller & leiser Prozess, spürst Du, wie Du milder und weicher wirst. Dir selbst gegenüber und evtl. auch den Menschen gegenüber, die diese Unordnung in Dir ausgelöst haben.

Mach Dir einen Song Deiner Wahl an
Setze Dich aufrecht hin
Lass Bilder aufsteigen. Schau auf Dein Leben in Leichtigkeit und Frieden

 

Bildnachweis für diesen Beitrag: Der mensch steht vor dem eingang zu einem grünen labyrinth mit generativer ki © user1558154 (Freepic CC-0)

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