Lost Generation

Autor: Franziska Kövener

Aus beruflichen Gründen bekomme ich aktuell sehr viel Einblick in das berufliche und auch das gesellschaftliche Miteinander jüngerer und älterer Generationen.

In der Arbeitswelt wird immer wieder rumgemosert, dass die jungen Leute nichts mehr wollen, nichts mehr können, nur dick bezahlt werden wollen für wenig Leistung. Managern hängt der Drang seiner Mitarbeitenden nach einer angenehmen Work-Life-Balance zum Hals heraus. Gleichzeitig werden, in Anbetracht des extremen Fachkräftebedarfs, scheinbar Leute, die wenig leistungsfähig sind, zu nicht schlechten Gehältern eingestellt. Unternehmen schlagen sich teils mit Auszubildenden herum, die in der Schule kaum was gelernt und scheinbar keinen Bock haben. Auf allen Seiten wird dann viel gemeckert und sich viel beschwert.

In meinem Netzwerk habe ich diese Woche einen Beitrag gelesen von einem Berater, dessen Sohn, ein junger Erwachsener, sich massiv über die Vorurteile beschwert hat, der es nicht mehr hören kann, dem das alles nur noch gegen den Strich geht. Ein junger Mann, einer ach so faulen Generation, der aber scheinbar mitten im Leben steht. Die beiden starten nun einen Podcast zum Thema. Ich fand den Beitrag sehr inspirierend, denn fragen wir uns doch einmal….

Wo kommen sie her?

Diese jungen Menschen, die keinen Bock auf Schule, Ausbildung und Arbeit haben – mal überspitzt skizziert. Wo kommen sie her? Die Probleme in unserer (Arbeits-) Welt?
Die Kids haben sich ja nicht zu dem gemacht, was sie sind. Sie haben ihre Schule nicht selbst entwickelt und auch nicht die aktuellen Bedingungen am Arbeitsmarkt.

Ich arbeite unter anderem in einem Internat und begleite SchülerInnen dabei, möglichst gut durch die Schule zu kommen, ihr Potenzial zu entfalten, oder manchmal auch dabei, einfach nur irgendwie zu bestehen. Zu bestehen und zurechtzukommen, in einem System, das große Probleme hat. Keines dieser Kinder ist verantwortlich für Lehrermangel, ausfallenden Unterricht und schlecht ausgestattete Schulen. Keines dieser Kinder hat ein Handy, an dem es so gern hängt, selbst entwickelt und sich selbst zur Verfügung gestellt und sich schlecht über den Umgang mit Medien aufgeklärt. Auch habe ich letztens von einer Ausbildungsleiterin gehört, dass sie sich aktuell extrem um die mentale Gesundheit ihrer Auszubildenden bemühen muss. Es sei zu beobachten, dass die Situation in der Pandemie massive Auswirkungen auf die Auszubildenden heutzutage habe. Auch diese Situation hat keiner dieser Auszubildenden zu verantworten. Und dennoch kommt vielen dieser jungen Menschen von vielen Seiten ein ziemliches Bashing entgegen.

Wenn Auszubildende und junge Mitarbeitende keinen Bock haben, dann hat das einen Grund oder eine Ursache. Niemand wird unmotiviert geboren. Es liegt in der Natur des Menschen, neugierig zu sein und sich entwickeln zu wollen.

Wo gehen sie hin?

Jede Zeit hat ihre Herausforderungen – auch die aktuelle. Die jungen Menschen finden sich in einer Welt, in der es Umwelt- und Klimaprobleme, Kriege und andere gesellschaftliche Herausforderungen gibt. Der technologische Fortschritt lässt uns alle kaum noch hinterherkommen, genauso wie das Überangebot an medialem Inhalt. Was ist die Perspektive? Ist es nicht unsere Aufgabe uns zu bemühen, jungen Menschen und Kindern eine Perspektive zu bieten? Eine Perspektive, für die es sich lohnt auch mal eine Extrameile zu gehen? Und ist es nicht auch unsere Aufgabe, diejenigen zu sehen und zu stärken, die diese Extrameile auch schon gehen? Denn die gibt es ja auch.

Sind wir nicht alle ein bisschen lost?

Ich sehe beide „Seiten“. Es gibt Menschen, die mir erzählen, dass sie sich ein gutes Miteinander im Job wünschen. Dass sie verstehen, dass eine Work-Life-Balance wichtig ist, aber dass sie das Gefühl haben, das Meiste an Arbeitsanfall allein tragen zu müssen, weil von vielen jungen KollegInnen nicht viel kommt. Ich höre Ausbilder, die ihren Auszubildenden gern etwas beibringen möchten, aber den Zugang nicht finden und auch vor der Herausforderung stehen, dass die Schulbildung manchmal keine gute Grundlage geliefert hat, oder das Ausbildungssystem selbst keine guten Rahmenbedingungen bietet. Auch ich verzweifle manchmal, wenn ich Abiturienten noch erklären muss, was 0,1 als Bruch ist.

Auf der anderen Seite höre ich viele SchülerInnen, die orientierungslos sind, nicht wissen, was sie wollen und was es alles gibt. Die ihre Stärken nicht kennen und ihre Talente nicht wahrnehmen. Die das Gefühl haben, mit irgendwas ein Auskommen verdienen zu müssen, am besten ein gutes. Und die sich große Sorgen um die Zukunft machen. Wenn ich mir das anschaue, dann frage ich mich: Sind wir nicht alle ein bisschen „lost“ in dieser Situation?

Wo finden wir den Konsens?

Das Beispiel, wo Vater und Sohn nun zusammen einen Podcast starten, finde ich eine gute Initiative, die jeweiligen Stärken zu verbinden und ins Gespräch zu kommen. Sicher wird jeder das seinige einbringen. Mein Sohn liegt mir auch schon länger in den Ohren, ob wir nicht einen gemeinsamen TikTok-Kanal starten. Ich hab lange gesagt „du und dieses sch**ß TikTok“ und war einfach nur skeptisch. Er hat aber eigentlich eine ganz coole Idee. Und mit der Zeit wurde auch klar, dass TikTok wohl die Zukunft ist in Social Media. Zu wem bin ich also hingegangen, als ich TikTok mal für mein eigenes Geschäft ausprobieren wollte? Ich habe meinen Sohn gefragt, wie das alles funktioniert. Er hat meine Videos geschnitten, den Sound gemacht und mir erklärt, was ich tun muss, um Follower zu bekommen, usw. Mit 13 Jahren! Ja, auch ich rege mich innerlich manchmal auf, dass er ewig am Handy hinge, wenn ich das nicht einschränken würde. Aber woher hat er denn die Kompetenz mir damit zu helfen? Also sagte ich zu ihm: “Wir haben einen Deal: Du zeigst mir dieses neue Zeug und ich zeige dir, wie man mit Urheberrecht umgeht, worauf man achten muss, um sich nicht im Internet zum Horst zu machen und wie man als Unternehmen ein paar Dinge im Hintergrund zu regeln hat. Grundbedingung: Kein dummes Zeug. Win-Win für uns beide also. Und unser Kanal kommt auch bald 😉”

Auch habe ich beispielsweise schon mehrfach einen Internatsschüler zu diversen technischen Herausforderungen um Rat gefragt. Er hat das gleiche Arbeitsgerät wie ich und kennt sich nachweislich gut damit aus. Ich habe schon so viel von Jugendlichen gelernt und merke, dass sie auch gern von mir lernen, wenn sie merken, dass ich ihnen zuhöre, sie ernst nehme und sehe, dass sie etwas einzubringen haben. Dann kann ich auch etwas fordern und sie geben sich Mühe.

Wie können wir miteinander wachsen?

Ich wünsche mir sehr, dass alle verschiedenen Generationen die Herausforderungen dieser Welt gemeinsam angehen und wir uns gemeinsam dafür einsetzen, dass möglichst viele Menschen ein gutes Leben haben. Durch meine Arbeit versuche ich in SchülerInnen, Auszubildenden und (jungen) Mitarbeitenden ein Feuer zu entfachen und Halt zu geben, sodass sie sich entfalten und sich einbringen können, auch wenn es mal unbequem ist. Ich möchte Teams für eine gute Zusammenarbeit stärken und die Chefs dafür sensibilisieren, dass es nicht der Obstkorb oder Kaffee for free ist, der Menschen wirklich motiviert.

Was machst du?

Hast du das auch schon erlebt? Dass du dich aufregst, weil die „jungen Leute“ dies oder jenes nicht mehr können oder verstehen? Hast du auch manchmal ein „diese Jugend heutzutage“ im Kopf oder auf den Lippen? Und was kannst du tun oder tust du auch schon, um ein Miteinander zu fördern? Ich würde mich sehr freuen, dich mit im Team „we stay togehter“ zu wissen!

Bildnachweis: people-group-silhouette-friends-3614311 (pixabay.com)

Franziska Kövener

Franziska Kövener

Telefon: 0176-99982152
Kontakt aufnehmen
franziska-koevener.de

Keine Beiträge mehr verpassen