Man sieht nur mit dem Herzen gut
„Du bist die einzige, die sieht, wer ich wirklich bin.“ Ein Satz aus dem Film Bohemian Rhapsodie, diese Worte richtete Freddie Mercury einst an seine engste Freundin Mary Austin. Zuerst eine gescheiterte Partnerschaft, die sich danach in eine lebenslange, tiefe Gefährtenschaft verwandelte.
„Man sieht nur mit dem Herzen gut“, sagt man so schön und es klingt auch immer gut.
Aber wie geht das, mit dem Herzen sehen? Oder wie der Kurs in Wundern sagt: die wahre Schau? Wie kann man ohne Verurteilung, ohne eigene Bewertungen, ohne alte Geschichten und Schubladendenken den wahren Kern, das wahre Sein eines Menschen sehen?
Warum dieses Thema? Weil es gerade jetzt, in dieser verrückten, sozial gespaltenen, angstreichen Zeit voller eigener Meinungen und Urteile so wichtig ist.
Gerade jetzt ist es so wichtig zu erkennen, wie programmiert, subjektiv, lieblos unser Blick auf andere (und uns selbst) oft ist. „Man schließt von sich auf andere“, man glaubt „es“ zu wissen. Die eigene Wahrnehmung ist die einzig Wahre.
So funktioniert es nicht, so sehe ich nur mit meinem Ego und meinem vorprogrammierten Verstand.
Ich sehe nur mich und meinen Film vom Leben. Ich sehe den anderen nicht und schon gar nicht mit dem Herzen.
Perspektivwechsel
Ein wichtiger Wake-up-call in dieser Sache war für mich eine Therapiestunde mit meinem Freund Stephan und unserem Coach Werner.
Wir haben eine Paartherapie gemacht, weil es in unserer Beziehung damals ausnehmend schlecht lief: Drama hoch 10, viele alte Verletzungen, die aufeinander prallten. Kein offenes Herz, sondern viel Wut und schwere Verurteilungen, viele Schuldzuweisungen. Und dennoch gab es irgendwie eine starke Verbindung zwischen uns, deswegen waren wir nun bei Werner.
In jener Stunde regte ich mich wieder einmal fürchterlich über Stephans’ „Verweigerungsstrategie“ auf. Ich wollte mit ihm über unsere Probleme kommunizieren. Ich wollte, dass er aktiv mitmacht und vor allem; dass er sich mehr öffnet! Trat gefühlt vor verschlossene Türen, die sich dann um so mehr verschlossen. (Ich glaube, das ist ein typisches Männer-Frauen-Ding. ;-))
Irgendwann nahm mich Werner zur Seite, positionierte den verschlossenen Stephan auf der einen Seite des Raums, mich auf der anderen.
Werner stand mit mir auf der einen Seite, wir schauten gemeinsam auf meinen dumpf da sitzenden Freund.
Dann hieß mich unser Coach zu schweigen. Nur ruhig auf den anderen zu schauen. Atmen, dann eine Hand auf mein Herz legen. Stille entstand, mein Kopf hörte auf zu wüten und zu fordern. Gefühle stiegen auf.
Mitgefühl
Und dann rutschte meine Wahrnehmung plötzlich ins Herz: großes Mitgefühl, große Traurigkeit überkam mich. Ich sah plötzlich einen kleinen, gedemütigten, verletzten Jungen da sitzen, statt meines Gegners der nicht mitmachen wollte.
Ich verstand mit dem Herzen, dass er seinen Schutz brauchte und wie verletzt er (aus seiner Kindheit heraus) wirklich war. Und spürte, dass seine Abwehr nicht gegen mich, sondern für sich selbst existierte.
Dann fragte mich Werner: „Kannst du akzeptieren, dass er nicht aktiv mitmacht? Kannst du akzeptieren, wie er wirklich ist und kannst du sehen, was er wirklich braucht?“
Ich konnte, denn ich sah in diesem Augenblick mit dem Herzen gut.
Das hat unsere Beziehung verändert, denn dies ist die wahre Schau. Eine Fähigkeit, die wir alle gerade so dringend benötigen.
Heraustreten aus dem Verstandesdenken, dem ewigen Recht haben und Urteilen.
Stattdessen still werden, öffnen, einfühlen, aus sich heraus treten, eine andere Perspektive wählen. Die Perspektive der Liebe, der Gnade, des Mitgefühls.
Nur so sehe ich mit dem Herzen gut, nur so kann sich Frieden in mein Herz senken.
Nur so kann uns die Kraft der Liebe heilen und (wieder) verbinden.
Quellen:
Schucman, Dr. Helen: Ein Kurs in Wundern. Textbuch – Übungsbuch – Handbuch für Lehrer – Ergänzungen.
Freiburg: Greuhof Verlag 2019 (=E-Book).
Foundation for inner peace (Hrsg.): Ein Kurs in Wundern. Offizielle Ausgabe des Übungsbuchs. Novato, USA 2015.
<https://lektionen.acim.org/de/chapters> (12.12.2020).
Singer, Bryan: Bohemian Rhapsodie [Film]. UK/USA: Twentieth Century Fox, New Regency Productions, GK Films 2018.
Bildquelle:
Das Foto vom “Sehenden Auge” wurde von Nicole Pendzich erstellt (2020).