“Aufgeben ist keine Option?”

Autor: Sandra Neumann-Sewcz

„Aufgeben ist keine Option!“
Kennst du diesen Satz? Ich denke nur zu gut.

„Weine nicht! Indianer kennen keinen Schmerz!“
„Eine Prinzessin macht sich nicht schmutzig und ist artig!“

Woher kommen diese „guten Ratschläge“ oder Weisheiten? Und helfen sie uns wirklich weiter? Oder wurden uns im Kindesalter Glaubenssätze mitgegeben, die uns als Erwachsene nicht unbedingt weiterhelfen, sondern eher schaden, wenn wir sie unbewusst und unbedacht übernehmen, ohne ihre Bedeutung zu hinterfragen?

Welcher Junge will nicht ein tapferer Indianer sein? Und welches Mädchen möchte nicht eine schöne Prinzessin werden?

Es ist doch besonders tapfer und mutig als Indianer Gefühle und Tränen zu zeigen, oder? Es gehört zu jedem Leben dazu auch mal Federn zu lassen.
Und wie schön es ist als Prinzessin im Regen zu tanzen und im Matsch voller Lebensfreude zu springen! Das Kleid schmutzig und die Seele frei.

Aus vermeintlich harmlosen Sprüchen aus der Kindheit, die ganz bestimmt immer gut gemeint waren, werden zu oft für Erwachsene eher schädliche Glaubenssätze und Verhaltensmuster. Solange ich diese einfach unbewusst übernehme, wundere ich mich, dass ich unglücklich bin.

 

„Aufgeben IST eine Option!“

Wann ist Aufgeben eine Option? Wann ist genug, wenn das Durchhalten unglücklich macht?
Immer JETZT!!!

Ich befinde ich mich gerade in genau so einer Lebensphase – in der es absolut genug ist!

Ich habe mein Leben lang genug gegen Ängste und Herausforderungen des Lebens gekämpft! Ich habe genug Jahre durchgearbeitet, mit viel zu wenig Zeit für Schlaf und Erholung, für zu wenig Zeit mit meinen Herzens-Menschen und -Tieren! Insbesondere hatte ich viel zu wenig Zeit für mich! Ich habe immer versucht verantwortungsvoll und artig zu sein, um niemandem zur Last zu fallen. Eben wie eine brave Prinzessin sich verhält.

Ich denke, ich habe jetzt genug nur darauf geachtet, dass es den anderen gut geht. Ich habe mich und meine Bedürfnisse lange genug dabei vergessen.

In meinen bisherigen Glaubenssätzen war Aufgeben bisher für mich nie eine Option. Doch jetzt traue ich mich, meine Verhaltensmuster, die mir nicht gut tun, zu hinterfragen und öffne mich für neue Erfahrungen. Was mich dazu gebracht hat? Das Leben, und die Chance für einen Neustart.

Das Leben schickte mir zwei Unfälle die alles veränderten. Nachdem ich zuvor sämtliche Krankheiten ignoriert habe, kam die Konsequenz für meine Unachtsamkeit.

Vor 3 Jahren, ganz zu Anfang dieser herausfordernden und vieles veränderten Zeit die wir alle hatten, und die noch lange wirken wird:
1. STOP:  Ich übersehe in einer Pfütze ein Loch im Schotter. Ich stürze zusammen mit meinem Pferd, meinem tapferen Gefährten Moses, der mich noch auffangen will, zu Boden. Ich liege am Boden und auf mir 600 Kilo geliebtes Pferdegewicht. Moses geht es bis auf den Schrecken gut. Mein Fuß ist gebrochen!

Nachdem ich dann mit Fuß im Gips einfach weitergemacht habe wie bisher, im Unterbewusstsein immer: „Aufgeben ist keine Option! Ich weine nicht, ich kenne keinen Schmerz, ich muss funktionieren, die anderen brauchen mich, …!“, kam die Konsequenz nur vier Monate später:
2. STOP: Die Sonne scheint. Ich komme von einer Kita-Baustelle und habe die Arbeiten erfolgreich abgeschlossen. Ich will zu meinem nächsten TODO fahren, doch da passiert es plötzlich: Es knallt! Mir wird die Vorfahrt genommen. Ich liege in meinem neuen Wagen der jetzt Schrott ist. Es gibt kein Weiterkommen und ich habe Kopfverletzungen, die ich jetzt nicht mehr ignorieren kann!

Klares STOP von meinem Leben!!! So geht es nicht weiter!!!
Wie oft muss mir noch der Boden unter den Füßen weggerissen werden, und wie viele Anstöße brauche ich noch für einen Richtungswechsel? Aber wo ist die Schmerzgrenze, wenn man nicht gelernt hat, dass man auch aufgeben darf. Was muss noch geschehen, bis man endlich begreift, so geht es nicht mehr weiter!?

Von Kopf bis Fuß ausgebremst!!! … STOP!!! … JETZT ist GENUG!!!

 

STOP!!!
… und  GO – mit neuen Glaubenssätzen!

Ich habe nach fast 25 Jahren meine Selbstständigkeit und mein Architekturbüro aufgegeben. Jetzt bin ich seit 6 Monaten im öffentlichen Dienst bei der Stadt Krefeld fest angestellt. Ich wollte weniger arbeiten, weniger Verantwortung haben und endlich mehr Zeit für mich und meine Lieben ermöglichen.
„Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt!“
Ich bin im „Abenteuerland“ gelandet, mit mehr Verantwortung für 20 tolle Mitarbeiter und eine Menge von Gebäuden, die es wert sind, instand gehalten zu werden. Jeden Tag neue Aufgaben und Herausforderungen, in einem Pensum, das nicht zu schaffen ist. So habe ich mir das überhaupt nicht gedacht mit meinem Neuanfang!!!

Was für einen Plan hat das Leben für mich? Das kann ich nicht sagen.
Ich entscheide mich bewusst OFFEN zu bleiben, BEREIT zu sein für alles Neue und zu VERTRAUEN.

„Respekt, Wertschätzung und die Liebe sind es immer wert, erst einmal sein Bestes zu geben, ohne direkt aufzugeben.“

„Aufgeben ist keine Option“ hat für mich nun eine andere heilende Bedeutung bekommen.

GEBE NIE AUF, DICH UND DEIN LEBEN ZU LIEBEN, ZU ACHTEN, WERTZUSCHÄTZEN UND MIT RESPEKT ZU BEHANDELN!

(Unglaublich, während ich diesen Artikel schreibe, höre ich unter meinem geöffneten Fenster einen Vater zu seiner Tochter am Telefon sagen:

„Die Welt geht davon nicht unter.“

„Gib‘ nicht vorher schon auf. Gebe dein Bestes, und es immer genug.
Gebe dir und dieser Prüfung eine Chance!“

„Der Drops ist erst gelutscht, wenn du aufgibst!“

 

Bildnachweis: von Sandra Neumann-Sewcz

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