Wenn das Leben bei dir anklopft…

Autor: Sina Bez

Wann hast du dich zum letzten Mal lebendig gefühlt? Und ich meine wirklich lebendig, voller Lebensfreude und Energie?

Ich war kürzlich auf dem Konzert einer Band, in einem Jazz-Club. Als ich dort hinging, wusste ich nicht, was mich erwartete, doch es wurde ein wunderschöner und richtig toller Abend. Die Stimmung war außerordentlich gut und das Trio hatte einen guten Kontakt zu seinem Publikum, von dem ich ein Teil war. Es gab diesen einen Moment, als ich mich plötzlich unheimlich lebendig fühlte. Die Musik strömte durch meinen Körper und erfasste mich. Es war, als würden sich alle Menschen mit ihrer Freude an der Musik miteinander verbinden und zu einem großen Ganzen werden. Und dieses große Ganze, das machte mich lebendig. Es war ein Gefühl, als hätte meine Seele geschlafen und wäre an diesem Abend aufgewacht. Und dann wurde mir bewusst, wie lange ich eine solche Erfahrung nicht mehr gemacht hatte. Familie, Job, Haushalt, viele Projekte, die alle Aufmerksamkeit brauchten, hatten neben meiner Krebskrankheit 2021 in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass ich mich nicht mehr so richtig lebendig gefühlt hatte.

 

Lebensfreude ist immer JETZT

Lebendigkeit hat für mich sehr viel mit Freude zu tun, denn wer Lebensfreude empfindet, der ist so lebendig, wie nie zuvor und nie danach. Lebensfreude ist immer JETZT. Du kannst sie niemals nachträglich oder im Voraus empfinden. Und daher ist es sehr wichtig, dass wir unseren Platz im Leben wieder bewusster einnehmen. In Zeiten, in denen wir funktionieren, wenn vieles geregelt werden muss, dann nehmen wir die Momente, in denen uns das Leben Gelegenheit für Lebensfreude bieten würde, nicht immer wahr. Dann kreisen vielleicht die Gedanken innerlich schon um das nächste Projekt und wir nehmen den aktuellen Moment gar nicht wahr.

Es ist wichtig, dass wir die Fähigkeit haben, in stressigen Zeiten durchzuhalten. Doch alles braucht immer seinen Ausgleich. Stress kostet uns sehr viel Kraft und Energie. Etwas muss den inneren Kraftspeicher wieder auffüllen, da wir ansonsten mit unserem Energiehaushalt in den roten Bereich, ins Minus, abdriften. Kraft tanken können wir am besten, wenn wir uns exklusive Zeit für das nehmen, was wir lieben.

 

Distanz zu uns selbst

Manche Sätze, die wir zu uns selbst oder zu anderen sprechen, beginnen wie folgt:

„Man sollte mal wieder…“
„Man müsste mal dieses oder jenes tun.”
„Man wäre ja froh, wenn…“

Doch mit dem kleinen Wort „man“ distanzieren wir uns von uns selbst. Wir nehmen unseren Platz nicht ein. Wenn du diese Sätze auch von dir kennst, ersetze das Wort „man“ durch das Wort „ich“ und schau einmal insgesamt, ob du eine wohlwollende Kommunikation mit dir selbst hinbekommen kannst.

„Ich möchte mal wieder…“
„Ich werde dieses oder jenes tun.“
„Ich freue mich auf…“

In unserem Alltag, dort wo vieles durchgeplant ist und funktionieren muss, da machen wir so vieles gleichzeitig, um alle Aufgaben schaffen zu können. Und darüber hinaus sind wir dadurch dann so daran gewöhnt, zwei oder drei Dinge gleichzeitig anzugehen, dass wir vor dem Fernseher sitzen und parallel dazu zum Beispiel lustige Videos auf unserem Handy ansehen. Wir versenden Sprachnachrichten, während wir Auto fahren oder hören diese ab, während wir gerade kochen oder uns eigentlich mit etwas anderem beschäftigen. Ich erlebe es mehr und mehr, dass Menschen nicht mehr miteinander telefonieren wollen, weil das nicht so „praktisch“ sei. Das könne man nicht nebenbei machen. Doch damit nehmen wir unseren Platz im Hier und Jetzt nicht ein. Wir sind nicht präsent, nicht bei uns selbst und nicht bei unserem Gegenüber. Wir schenken uns und dem, der uns wichtig ist, keine Aufmerksamkeit.

Und wenn wir uns dann einmal ganz in einen Moment hineinfallen lassen, wie ich neulich bei dem Konzert, erleben wir plötzlich, wie uns das Leben durchdringt. Wie es uns umarmt, wie einen alten Freund, den man lange nicht gesehen und vermisst hat.

 

Lass uns Herzmomente sammeln

Mit der Lebendigkeit ist es so eine Sache: Sie kommt nicht automatisch zu uns, wir müssen unser Herz zuerst für sie öffnen und dafür müssen wir in unserem Leben auch anwesend sein. Wäre ich zu dem Konzert gegangen, aber mit den Gedanken ganz woanders gewesen, hätte ich die Vibes der Musik gar nicht in meinem Körper spüren und genießen können. Und damit wäre mir ein sehr glücklicher Moment verloren gegangen.

Stell dir vor, dein Herz ist eine Tür und du entscheidest, wann du sie öffnest oder sie schließt. Vor der Tür steht die Lebendigkeit und klopft bei dir an. Sie fragt dich: „Bist du bereit, dich auf mich einzulassen?“ Und dann zeigt sie dir Situationen deines Lebens, bei denen du entscheiden kannst, ob du die Tür deines Herzens öffnest und die Lebendigkeit zu dir hereinbittest. Das kannst du tun, in dem du bewusst lebst. Indem du nicht so viel parallel machst oder du dir Zeit nimmst, ganz im Hier und Jetzt zu sein. Anwesend in deinem Leben und auf deinem Platz. Zeige dich wie du bist und sage öfter einmal wieder „JA“ zu deinem Leben, so wie es gerade ist.

 

Lebendigkeit als Potenzial für dein Leben

Vor einiger Zeit war ich sehr unglücklich. Ich sah mich mit sehr vielen schwierigen Themen konfrontiert, die mich regelrecht geschmerzt und die dafür gesorgt haben, dass meine Gedanken sich ständig um meinen Schmerz drehten. Im Gespräch mit meinen Freunden ging es im Wesentlichen auch immer um meine Traurigkeit, dass ich unzufrieden war und mich belastet fühlte. Eines Tages sagte meine Freundin, nachdem ich sie nach ihrem Befinden gefragt hatte, einen entscheidenden Satz: „Ich bedanke mich bei dir, dass du mich heute gefragt hast, wie es mir geht.“ Mir wurde schlagartig bewusst, wie sehr ich ihr gegenüber in den letzten Wochen abwesend gewesen war. Wie wenig Aufmerksamkeit hatte ich ihr geschenkt und immer meine Probleme vorangestellt! Ihr Dank sorgte dann dafür, dass ich mich wieder anders wahrnehmen konnte. Ich war wieder DA, wieder ganz bei mir. Ich wurde aufmerksam darauf, dass ich viele Menschen in meinem Leben habe, die mir sehr wichtig sind. Und dann begann ich, diese Menschen wieder in mein Herz zu lassen und mich nach ihnen zu erkundigen. Auf die Frage „Wie geht es dir?“ bekam ich plötzlich ganz neue und wunderbare Antworten. Niemand machte mir Vorwürfe, doch viele von ihnen bedankten sich dafür, dass ich mein Verhalten reflektiert hatte.

Die Botschaft lautet: “Höre den Worten deines Gegenübers zu und sei ganz präsent. Verschenke dich an das Leben. Dann schenkt das Leben dir so viel zurück.”

Vielleicht magst du dich jetzt einmal bewusst an die Menschen erinnern, die dir wichtig sind? Das sind diejenigen, die immer zu dir stehen, die dich inspirieren, die dich so nehmen wie du bist. Menschen, die dich gern haben und die du ebenso gern magst. Wenn es da also jemanden da draußen für dich gibt, dann richte heute mal wieder Worte der Aufmerksamkeit oder Anerkennung an diese Person. Ein einfaches „Wie geht es dir?“ kann Wunder wirken. Ein „Weißt du, wie schön es ist, dass es dich gibt?“ streichelt die Seele des anderen und auch deine eigene. In der Verbindung zweier Menschen, egal ob auf freundschaftlicher oder romantischer Ebene liegt ein großes Potenzial des Lebens: Die Lebendigkeit, die beide Seiten umarmt, sie berührt, damit jeder von ihnen augenblicklich das Hier und Jetzt wieder neu betrachten kann. Lebendigkeit entsteht aus der Liebe. Die Liebe zum Leben, zu meinem Gegenüber und zu mir selbst.

Ich wünsche dir viele wunderbare und lebendige Momente, in denen du dein Herz weit öffnen und dich in das Leben hineinfallen lassen kannst.

 

Foto: Pixabay schuetz-mediendesign

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