Tanzende Könige

Autor: Antje Heinrich
Tanzende Könige

Es gibt Tage, an denen ich mich frage, was das eigentlich alles soll.
Tage, an denen ich mich wie Sisyphus fühle –
immer am Ball bleiben, alle Kraft, Mühe, Liebe, Hoffnung, Zuversicht, Glauben an das Gute, all die Werte, die das Leben lebenswert machen investierend –
ohne je anzukommen.

Und da ist sie wieder, die Frage: „Jesus oder Judas?“

An jenen Tagen hat,
bei ihrem gemeinsamen Tanz auf der Tanzfläche meines Lebens,
Judas klar die Führung – Jesus schlittert, stolpert, scheint unsicher,
wirkt so müde
und ich vergesse, dass ich die Choreografin bin.

Bis ich an euch denke,
euch, die ihr auch solche Tage kennt.
Tage, an denen alles in Zweifel gezogen wird.
Tage, die so verführerisch sind, um aufzugeben,
einen leichteren Weg einzuschlagen.
Tage, die geeignet sind, die Verbindung zu allem zerreißen zu lassen.
Und dieses Zerreißen sich dann nicht nach Einsamkeit anfühlt,
sondern nach Befreiung, nach herrlicher Ruhe.

Verantwortung: nur für mich.
Zuständig sein: nur für mich.
Alle Anderen und alles Andere: ist wurscht.

Jesus oder Judas?

Ich denke an euch und besinne mich.

Es ist nie entweder oder, sondern immer sowohl als auch
beide gehören zusammen,
bedingen einander,
brauchen einander,
ohne den einen kann es den anderen nicht geben.

Diese Gedanken helfen mir
jenen Tagen nur die Aufmerksamkeit zu schenken, die unbedingt nötig ist,
um sie anzuerkennen, weil sie unabänderlich dazu gehören,
sie dann wieder loszulassen und
das Zepter der Choreografie wieder in die eigenen Hände zu nehmen.

Und so gelingt es mir
Judas wieder zu befähigen Jesus Halt zu geben,
ihn zu stützen, sich ausruhen zu lassen,
Tempo aus dem Tanz zu nehmen,
bis sie wieder zu ihrem gemeinsamen Rhythmus gefunden haben und in Harmonie
miteinander meine Choreografie vollführen, solange bis ich angekommen bin – Judas und Jesus

 

 

Bildnachweis für diesen Beitrag: gay-couple-love-home-concept-97129208 @ dreamstime.com (copyright 3_2022)

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