Peter stellte mal die Frage: „Wofür lohnt es sich, stark zu sein?“
Meine Antwort war: „Stark sein lohnt sich, solange auch nur ein Funke ehrlicher Hoffnung auf Besserung in dir ist.“
Alltags(er)leben
Vor wenigen Tagen hatten wir Besuch von Freunden bei uns. Wir saßen gemütlich auf unserer Terrasse, das Wetter war gnädig mit uns und die Sonne auch. Die Würstchen schmorten neben den Maiskolben auf dem Grill, die ersten Scheiben Brot mit Kräuterbutter verschwanden in unseren Mündern und wir füllten unsere Gläser auf.
Wir tauschten uns über die letzten Geschehnisse und anstehenden Projekte in unsrem Leben aus, ruhiger, bluesiger Jazz lief im Hintergrund – es war eine friedliche, harmonische und entspannte Stimmung, bis …
Ja, bis einer die aktuellen Weltgeschehnisse zum Thema machte und wir anderen darauf einstiegen.
Wir beklagten uns über die Politik, die Wirtschaft, den Lobbyismus und die Dummheit vieler Menschen.
Es wurde von einer Studie erzählt. Sie besagt, dass über 50 % der Jugendlichen für sich keine Zukunftsperspektive sehen. Außerdem wurde auf ein Interview mit einem namhaften Forscher verwiesen, in welchem diskutiert wurde, dass es schon lange nicht mehr nur um 1–2 Grad Erderwärmung gehe, sondern um 5–6 Grad, wodurch es Hamburg in 50 Jahren nicht mehr geben werde.
Auch der Besuch der amerikanischen Außenministerin in Taiwan und die mögliche Reaktion Chinas darauf, der Krieg in der Ukraine und die mutwillige Zerstörung des Amazonas saßen mit an unserm Tisch.
Und so dauerte es nicht lange, bis das friedliche Gefühl verschwunden war und Angst, Verzweiflung, Ohnmacht und Wut Platz genommen hatten.
Und immer wieder die Worte: „Es hat alles keinen Sinn mehr, es ist eh alles zu spät!“
Bei diesen Worten stieg in mir eine neue Wut auf. Ich konnte sie erst nicht verstehen– denn auch ich fühle immer wieder die Angst, Verzweiflung, Ohnmacht und Wut über die Entscheidungen, die Menschen treffen, die so gravierende und zerstörerische Ausmaße für so viele Leben nach sich ziehen.
Und plötzlich hörte ich mich sagen, dass ich trotz allem die Kräuter in die neue Kräuterspirale einpflanzen werde.
Und da verstand ich diese andere Wut in mir und fragte in die Runde:
„Weshalb trennst du noch immer deinen Müll?
Weshalb bemühst du dich weiterhin um Nachhaltigkeit, versuchst Plastik zu vermeiden und kaufst, wenn überhaupt, nur Fleisch mit Haltungsform 4?
Was bringt dich dazu, deine Kinder trotzdem zu bestärken eine Ausbildung zu machen und nicht nur auf der Couch zu liegen, mit einem Joint im Mund und YouTube auf dem Handy?
Und was ist dann der Grund dafür, dass du dir nicht den SUV kaufst und deinen Rasen nicht stundenlang in der Mittagshitze gießt?
Wenn doch eh alles zu spät ist …“
Hoffnung
war die Antwort. Hoffnung, dass es doch besser oder wenigstens nicht ganz so schlimm werden wird.
Bei dieser Antwort tauchte augenblicklich ein großes JA in mir auf und die Frage:
Was hält deinen Funken der Hoffnung am Glimmen? Erinnere dich!
Es sind die Menschen. Es sind solche, die trotz allem noch immer ihren Müll trennen. Oder Fleisch, wenn überhaupt, nur mit Tierwohl 4 kaufen. Ihren Rasen nicht in der Mittagshitze stundenlang gießen. Sich keinen SUV kaufen. Und ihre Kinder weiter motivieren, am Leben teilzunehmen, und ihnen vermitteln, dass sie es gestalten, Einfluss nehmen können. Zu ihrem und zum Wohle aller.
Und es sind die Menschen, die dafür gesorgt haben, dass es das Label ‚Tierwohl‘ überhaupt gibt und den ‚Blauen Engel‘ und die Krankenversicherung und für das Frauenwahlrecht gekämpft haben.
Es sind die Jugendlichen, die auf die Straße gehen, für ihre und unsere Zukunft – und es sind die Erwachsenen, die sie anhören und ernst nehmen.
Hoffnung geben mir die, die dafür gesorgt haben, dass es mehr Radwege und Dämmung für Häuser gibt und die, die sich für die Menschenrechte einsetzen und unser aller Grundrechte verteidigen.
Hoffnung gibt mir, dass es Menschen gibt, die die Hoffnung nicht verloren haben.
Und du, der/die du diese Zeilen liest.
Denn all das sind Zeichen der Besserung. Und diese Zeichen motivieren mich weiter Verantwortung für mein Handeln zu übernehmen, im Bewusstsein, dass mein Verhalten auch immer Einfluss auf mein Umfeld hat und mir ist klar, dass nur ich entscheide, welchen Einfluss ich ausüben möchte.
Und so frage ich mich:
„Welche Art Mensch möchte ich sein? Einer, der die Hoffnung behält und dadurch vielleicht auch anderen wieder Hoffnung schenkt? Oder einer, der sie aufgibt und tatenlos geschehen lässt?“
Bildnachweis für diesen Beitrag: Copyright Antje Heinrich 2022