Geschenke erkennen
Gerade, wenn das Leben schwerer ist, sehe ich sie oft nicht. Die kleinen Geschenke des Lebens. In den Momenten, wenn ich sie am dringendsten bräuchte, erreichen sie mein Herz nicht. Dabei kenne ich diese Situationen gut, die ganz unverhofft mein Herz berühren. Ohne große Ankündigung oder Meditation öffnet sich mein Herz und ich bin berührt: Durch ein Wort, eine Nachricht, ein Lächeln.
Und genau dann, wenn der Gegenwind des Lebens bläst, scheinen sie auszubleiben, die kleinen Momente des Lächelns und Berührt-seins. Alles scheint dunkel und schwer. Die Leichtigkeit stattet mir in diesen Zeiten keinen Besuch ab. Nichts berührt mein Herz.
Die Hürde
Vielleicht steckt genau das dahinter, wenn ich die Geschenke des Lebens nicht mehr wahrnehme. Ich habe mein Herz verschlossen, lasse mich gerade nicht berühren. Denn es ist gerade schwer, ich bin in ein Loch gefallen und es tut weh.
- Weil ich mich abgeschnitten und nicht dazugehörig fühle.
- Weil ich mir Sorgen, um einen geliebten Menschen mache.
- Weil der Kopf etwas erwartet, was gerade gar nicht ansteht.
In diesen Momenten erlebe ich nur Dunkelheit. Das Lächeln des Lebens erreicht mich nicht.
Ein Erlebnis
Drei Steine
Als Hausaufgabe zu einem Meditationsabend zum Dalmanuta Prinzip hatten wir eine Hausaufgabe: Ich sollte drei Steine besorgen und verschenken. Einen für mich, einen für einen lieben Menschen und den dritten Stein sollte ich einer fremden Person schenken. Den dritten Teil der Hausaufgabe habe ich bis auf den letzten Drücker aufgeschoben.
Am Tag des nächsten Meditationsabends hatte ich den Stein für den Fremden / die Fremde noch immer in der Hosentasche. Mein Auto musste zur Inspektion und ich lief den Kilometer ins Büro zu Fuß. Als eine Frau mit Sporttasche aus dem Auto stieg, dachte ich mir “jetzt oder nie!”. Ich sprach sie an, dass ich ihr gerne etwas schenken wolle und ich hielt ihr einen schönen kleinen Halbedelstein auf der offenen Handfläche entgegen. Die Frau schreckte zurück und reagierte sehr abweisend, als fühle sie sich bedrängt und unangemessen angesprochen. Sie lehnte den Stein ab. Sie wollte mein Geschenk nicht.
Tief getroffen
Ihre Reaktion hat mich tief getroffen. Ich fühlte mich abgelehnt und zurückgewiesen. Mir kamen die Tränen und mein Gedankenkarussell aus negativen Gedanken fing an, sich zu drehen. Noch nicht mal ein Geschenk konnte ich jemandem machen. Wie blöd musste ich mich angestellt haben, dass jemand so reagiert. Niemand mag mich. Kein Wunder, dass sie meinen Stein nicht wollte. Diese Gedanken drehten sich unablässig.
Gedanke des Herzens
Doch ein kleiner Gedanke wagte sich aus meinem Herzen: Ein Geschenk kann ich immer nur anbieten, annehmen muss es mein Gegenüber selber. Diese Erkenntnis wischte meine Tränen fort. Ich hatte nichts falsch gemacht. Die Frau konnte das Geschenk einfach nicht annehmen. Vielleicht war auch für sie die Welt gerade dunkel und ihr Herz war nicht offen für ein Geschenk des Lebens?
Als ich Abends mein Auto bei der Autowerkstatt abholte, wagte ich einen neuen Versuch und fragte die nette Dame bei der Abholung, ob ich ihr einen Stein schenken dürfe. Sie strahlte über das ganze Gesicht. Fragte sofort, was das für ein Stein sei und bedankte sich sehr herzlich. Sie konnte das Geschenk annehmen.
Offenes Herz
Wie oft habe ich Geschenke des Lebens schon nicht angenommen? Welche Geschenke habe ich nicht annehmen können, weil lähmende Gedanken zu stark waren. Gedanken wie
… das steht mir nicht zu,
… andere brauchen es viel dringender oder
… der oder die meint mich gar nicht.
Mein Herz war in diesen Momenten nicht offen. Auch unerwartete Situationen oder schöne Momente gehen in diesen Situationen an mir vorbei. Ich sehe die Schönheit der blühenden Blume nicht, bemerke das Strahlen in den Augen des Kindes nicht oder ein lieber Gruß erreicht mein Herz nicht.
Veränderung herbeiführen
Mir bewusst zu machen, dass mein Herz gerade dann verschlossen ist, kann etwas verändern. Gibt es gerade wirklich nichts, das mich berührt oder bin ich gerade unberührbar, weil ich eine Mauer um mein Herz gebaut habe? Die Mauer soll mein Herz vor Traurigkeit oder dem Gefühl abgeschnitten zu sein beschützen, dabei macht sie genau das: Sie schneidet mich vom Leben ab. Nur ein offenes Herz ist berührbar. Nur ein offenes Herz kann die Geschenke des Lebens wahrnehmen.
Und so wie ich in den vermeintlich “guten Zeiten” berühren lasse von einem Lächeln oder einem lieben Gruß, können diese Zeichen und Geschenke die Tür zu meinem Herzen wieder langsam öffnen. Auch wenn ich traurig bin, darf ich mich über eine liebe Geste freuen. Auch wenn ich Sorgen habe, darf ich lachen. Auch wenn es einem lieben Menschen schlecht geht, darf mein Herz Freude und Leichtigkeit spüren.
Erinnere dich
Erinnere dich daran, dass das Leben zu jeder Zeit Geschenk bereithält. Öffne dein Herz ganz bewusst. Schließe deine Augen und verbinde dich mit deinem Herzen. Manchmal verändert sich bei mir schon dadurch das Gefühl. Wenn es dir schwerfällt, stellt dir vielleicht eine kleine Treppe vor, die du zu deinem Herzen nach unten gehst. Am Ende der Treppe ist eine Tür.
Und diese Tür machst du auf. Dort ist der Raum deines Herzens, das berührt werden möchte durch die Geschenke des Lebens.
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